Sonntag, 14. Januar 2018

Tut mir nicht weh oder ich schlag dich!

1 + 1 = 2

scheint von verführerischer Gewißheit.
Daran ist doch wirklich nicht zu rütteln, oder?

 
Irgendwo zwischen dem martialischem "Was dich nicht umbringt, macht dich stark" und dem defensiv-aggressivem "Rühr mich nicht an", liegt das weite Niemandsland von gefährlichen Mißverständnissen und selbstgerechten Ungenauigkeiten.

Wenn ich zum Fasching als flotte mexikanische Braut mit Sombrero erscheinen würde, Gott schütze mich, ich hasse Fasching, aber wenn ich es täte, würde ich mich der kulturellen Aneignung (cultural appropiation) schuldig machen. Wobei Aneignung in diesem Zusammenhang eine übergriffige Handlung impliziert. Das gilt auch für Kostümierungen als Indianer (je nach Zeitpunkt: First Nation= Erste Nation, Natives - Eingeborene, Indigenous-Einheimische). Piraten und Hexen haben sich noch nicht zu Wort gemeldet. Es gilt: keine Rastalocken, wenn du nicht auf Jamaica geboren wurdest, kein Blues, wenn deine Hautfärbung eher ins blasse Spektrum neigt. Jedem nur seines. Strenge Abgrenzung, wenn alles in mir auf bereichernde Vermischung hofft.

Wenn ich Studenten auffordere, "Antigone", "Medea" oder "Hamlet" zu lesen, sollte ich sie genauestens vorwarnen, dass sie mit spezifischen für sie unangenehmen Vorgängen konfrontiert werden könnten. Damit gebe ich ihnen die Möglichkeit, der Konfrontation mit für sie traumatischen Ereignissen auszuweichen. Literatur, Poesie soll ein sicherer (safe) Raum sein, kein Ort der Auseinandersetzung, der überraschten, schockierten Erkenntnis. Der dadurch möglichen Befreiung.

ME TOO.

Eine wichtige, politisch relevante Bewegung, die Vergewaltiger bloß und gesellschaftlich mißachteten Machtmißbrauch offen legt, verschlammt, weil einige Frauen sich auf die wehrlose Opferrolle zurückziehen und ihre Möglichkeiten zur Gegenwehr und ihre Selbstinteressen ausradieren.

Ich bin nicht traumatisiert worden. Mein unverdientes Glück.

Aber eine dumme Bemerkung ist einer Vergewaltigung nicht gleichzusetzen.
Aber Machtmißbrauch ist schlimmer, als ungeschickte, hoffnungsvolle Anmache auf Augenhöhe. Wir, wir Frauen sind nicht a priori wehrlos. Die Bezeichnung Opfer ist nicht in unsere DNA eingeschrieben.

Weinstein, Wedel, Testino. Vergewaltiger? Wahrscheinlich.

Aber, nicht DER MANN ist unser Feind, sondern eine soziale Konstruktion, die es manchen, zu vielen Männern, ermöglicht ihren, ihren sadistischen, miserablen, übergriffigen Neigungen zu folgen.

-----------------------------------------------------------------------------------

„Unsere Verpflichtung zur akademischen Freiheit bedeutet, dass wir sogenannte trigger warnings nicht unterstützen".

Universität von Chicago 2016


Trigger Warnings, Aulöse-Warnungen - sind vorausgeschickte Warnhinweise zu Lehrinhalten, die für manche Studenten problematisch sein könnten.


Mikroaggression ist ein sozialpsychologischer Begriff, der 1970 von Chester Pierce geprägt wurde, um winzige, als übergriffig wahrgenommene Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation zu beschreiben. Darunter werden kurze, alltägliche Äußerungen verstanden, die an die andere Person abwertende Botschaften senden, welche sich auf deren Gruppenzugehörigkeit beziehen.

Intersektionalität beschreibt die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person. Intersektionelle Diskriminierung liegt vor, „wenn eine Person aufgrund verschiedener zusammenwirkender Persönlichkeitsmerkmale Opfer von Diskriminierung wird."


Dazu auch:
"Triple Oppression oder auch Dreifachunterdrückung ist ein Begriff für mehrfache und gleichzeitige Unterdrückung aufgrund der geschlechtlichen, ethnischen und klassenspezifischen Zugehörigkeit. Eine weitere Bezeichnung ist Race-Class-Gender-Unterdrückung."

http://www.sueddeutsche.de/kultur/risiken-der-redefreiheit-man-wird-ja-wohl-noch-sagen-duerfen-1.2634767

http://www.deutschlandfunkkultur.de/der-triggerknueppel-literatur-gefaehrdet-eventuell-ihre.1005.de.html?dram:article_id=373087

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen