Freitag, 25. November 2016

Theaterwohnung 12

Zuhause versus Dasewigimmergleiche

Zuhause weiß ich im Dunkeln, wie der Weg zur Toilette geht. Beim Kochen greift meine Hand ohne Zögern nach dem Salzstreuer. Das alte Sofa kennt die Form meines Hinterns und ich weiß, dass die Vögel auf dem naheliegenden Friedhof gegen fünf Uhr mit dem Singen beginnen.
In der Theaterwohnung ist meine tägliche aktive Anpassung an die vorgegebenen Umstände gefordert. Wenn ich in der Dusche hocken möchte, öffnet mein Hinterteil die Glastür, am Schreibtisch haut mein Knie gegen die Tischplatte, der Wasserkocher benötigt länger für das Erhitzen des lebensnotwendigen Kaffeewassers und sächsische Trinker klingen geradezu exotisch um zwei Uhr nachts auf ihrem schwankenden Gang heimwärts.
Alles Kleinkram, "Jammern auf höchstem Niveau", Petitessen. 
Nur bin ich ein Gewohnheitstier und ein Nester und nicht sicher, ob ich der steten Irritation durch neue Umstände für das Wachhalten meines alternden Hirns danken, oder die Sehnsucht nach meinem Zuhause als erschöpfende Mangelerscheinung fürchten soll.
Das Bekannte, Gewohnte ist für viele Menschen eine Last, nichtendenwollende Repetition der immergleichen Abläufe. Aber ich, die ich von Theaterwohnung zu Theaterwohnung wandere, ist mein Zuhause ein Ort der Entspannung. Ich muß nix Neues lernen, nicht anpassungsfähig sein, nicht das Beste aus etwas machen. Ich kann mich gänzlich gehen lassen.
Meine Oma hat mich bis zu meinem 12. Lebensjahr, in dem sie leider verstarb,  nahezu jedes Wochenende in ihren Wartburg gepackt und nach Buckow verfrachtet und dort haben wir 2x24 Stunden mit Faulenzen verbracht: nichts als Schwimmen, Pilze sammeln (sie fand, ich nicht), Kochen, Essen, manchmal Reden, oft nicht, Lesen, Schlafen und herrliches Verschlampen. Ein Geschenk. Noch heute kann ich abrupt, übergangslos in diesen Erholungsmodus verfallen. Arbeiten, arbeiten, arbeiten und dann - loslassen. Ein lebensrettendes Geschenk. Und damals war es Buckow, das es für mich nicht mehr gibt, heute ist es mein ZUHAUSE.

   Buckow in der Märkischen Schweiz, hier die Arbeit eines mittelmäßigen den Nazis zugeneigten Steinmetzes.

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