Sonntag, 29. Mai 2016

Eine Störung im Blick

Es gibt Tage, da liegt ein Schatten über Dir, obwohl, das vielleicht weit aus dramatischer klingt, als ich es meine. 
Also: ich stehe auf und watschele durch die üblichen morgendlichen Verrichtungen - Kaffee kochen, duschen, Kaffee trinken, Zähne putzen, Mails gucken, aber irgendetwas ist verquer, uneben, aus der Mitte. 

An jedem gewöhnlichen Morgen bin ich grundlos heiter. Ein sonniges Gemüt, so oberflächlich das auch klingen mag. Meine Grundhaltung der Welt gegenüber ist, ob in Folge genetischer Konstellationen oder durch günstige Umweltbedingungen, hoffnungsvoll. Ich vergesse Kränkungen, Niederlagen und andere Nackenschläge schnell und erwarte deshalb meist eine günstige Einstellung der Welt mir gegenüber, glückliche Auswirkung meines das-Glas-ist-halb-voll-Blickes und der Gnade meines schlechten Gedächtnisses. Wenn ich es positiv formulieren will, habe ich ein leichtes Gemüt. Wohl ein Geschenk meiner Mutter, die unter weit schwierigeren Bedingungen, ähnlich empfand.

Der Wellenreiter

Der letzte Wellenreiter
Einer schöneren Zeit
Mir ward warm wo es schneit
Die mich lieben
Sind mir lang geblieben
Und auch so kleine Sorgen
Sind immer wieder – morgen
Die Kriege die die Welt zerfraßen
Haben mich und Meine in Ruh gelassen
Das Essen schön
Die Betten warm
Die Kinder kamen nicht zu Harm
Die Kindheit von Vater und Mutter umgeben
Mein Mann der liebt mich sein ganzes Leben
Und eigentlich froh und heiter
Ich bin der Wellenreiter
Zwischen Himmel und Hai  
Kam ich halb sorglos
Am Schlimmsten vorbei.

barbara brecht-schall

Aber dann dieser Morgen, der aus der Gewöhnung fällt. Es hackt. Es läuft nicht rund. Es ziept und zerrt. Selbst gutes Wetter ist das falsche, ein gestern noch schönes Kleid sitzt komisch, die vielleicht völlig harmlose Bemerkung eines Kollegen klingt wie eine Beleidigung, die Probe schleppt, das Talent ist nicht zu Hause. Alles, alles ist nicht richtig richtig. Nicht schlimm, nicht katastrophal, nur so ningelig doof.
Schlafen gehen und wieder aufstehen, jetzt geht es wieder, nur so ein komischer Geschmack bleibt zurück, als hätte ich in einen faulen Apfel gebissen.
 
Das Wort Kaleidoskop stammt aus dem Griechischen und bedeutet: schöne Formen sehen. Konkret lauten die drei Wörter: καλός (kalós) „schön“, εἴδος (eidos) „Form, Gestalt“ und σκοπεῖν (skopéin) „schauen, sehen, betrachten“.

Da 'aschimos' im Griechischen 'häßlich' heißt, wäre ein Aschimoskop, wohl das, was sich mir manchmal überraschend vor die Linse legt.

------------------------------------ 
------------------------------------ 

Eine Empfehlung zum Schluß: bis zum 10. Juli kann man im Hamburger Bahnhof noch "Manifesto" von Julian Rosefeldt ansehen & anhören. 13 parallel laufende Videos mit Cate Blanchett in unterschiedlichen Rollen und Situationen Kunstmanifeste sprechend, darunter Texte von Filippo Tommaso Marinetti, Tristan Tzara, Kazimir Malevich, André Breton, Claes Oldenburg, Yvonne Reiner, Sturtevant, Adrian Piper, Sol LeWitt oder Jim Jarmusch.

 © VG Bild-Kunst, Bonn 2016


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen