Samstag, 12. März 2016

Theater kennt auch Heimweh - Jan Hus und die Realpolitik


"Das aber erfüllt mich mit Freude, daß sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, daß sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten."
Jan Hus in seinem Abschiedsbrief

Seit nunmehr fünf Wochen in Konstanz. Die Proben sind spannend, die Theaterwohnung ist erträglich, die Kollegen interessant, die Stadt geradezu niedlich. Und ich habe Heimweh. 
Es ist leise hier, wenn man von den oft und lang läutenden Kirchenglocken absieht. Es ist sauber. Es ist reizend. Es ist schwäbisch, oberschwäbisch. Es macht früh zu, ist teuer und hatte scheinbar keinen zweiten großen Krieg. Der Sage nach haben die Alliierten, aus Sorge Schweizer Gebiet zu bombardieren, die Stadt, die schlauerweise und entgegen dem Verdunkelungsgebot hellerleuchtet blieb, verschont. Aber vielleicht war Friedrichshafen, ein wichtiges Zentrum der Rüstungsindustrie auch einfach nur interessanter. Die Altstadt von "Konschtanz" ist jedenfalls vollständig und nur wenige 60er Jahre Peinlichkeiten stehen verschämt hier und da zwischen all der mittelalterlichen Bürgerpracht. 
Klimperkasten, Seekuh, Tolle Knolle, Laugele, Vogelhaus, Pizza Stüble heißen die Kneipen, am Wochenende stürmen sparsame Schweizer die Läden und das hiesige Pegidatrüppchen, so um die 50 Leute, hat es bisher noch nicht geschafft, ein Treffen zu organisieren, dem neuen Flüchtlingsheim, auf dem Gelände eines Tennisclubs, wird Widerstand geleistet, weil den prüden Fremden, der Anblick, der in Sichtweite am Bodensee Badenden nicht zugemutet werden kann.
Wie gesagt, alles ist gut und ich habe Heimweh nach meiner dreckigen, lauten, unordentlichen Stadt und nach meinen Freunden, die dort leben.

JAN HUS

1414 reiste Jan Hus unter Zusicherung freien Geleits zum Konstanzer Konzil. 
Dort erfolgte seine Verhaftung. 
Am 6. Juli 1415 wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 

Wiki schreibt: Jan Hus wurde der weltlichen Gewalt übergeben. Der Weg führte vom Münster über die heutige Wessenbergstraße (damals noch Plattengasse), Obermarkt, Paradieser Stadttor ein kurzes Stück Strecke Richtung Gottlieben zum Brühl. Kurz vor der Hinrichtung kam der Reichsmarschall von Pappenheim angeritten und forderte Hus im Namen des Königs Sigismund zum letzten Mal zum Widerruf auf. Hus weigerte sich. „Der Reichsmarschall schlug zum Zeichen der Exekution in die Hände. Die Fackel wurde an den Holzstoß gelegt“. Im Auftrag des Königs vollstreckte Pfalzgraf Ludwig das als Reichsgesetz geltende Urteil. Jan Hus wurde am Nachmittag des 6. Juli 1415 auf dem Brühl, zwischen Stadtmauer und Graben, zusammen mit seinen Schriften verbrannt. 

Toller Artikel über Jan Hus und mittelalterliche Politik in Konstanz!

Jan Hus - so ein ahnungsloses, verblüfftes Gesicht!

Vision 

Ich geh durch die greise, nächtige Stadt,
will wissen, was Konstanz für Träume hat.

Ob sich der alte Zauber schon brach?
Lichter erstehen und sterben im Hafen,
Giebelhäuser sinnen verschlafen
wilden, weiten Zeiten nach.
Etwas weht in dem Dämmer des Orts,
etwas wohnt in den dumpfen Gassen
noch von dem alten Pfaffenhassen
eines erlösenden Flammenworts.
Dunkel stiert ein gieriger Sinn
aus der ewigen Kälte der Säle,
und wie Gewänder der Kardinäle
schleppt der Wind an den Häusern hin.
Heimlich wie leise Knappen der Herrn
schwinden Schatten im Dämmerflocken...
über den Hafen von fern, von fern.

Und ich schaue zurück nach der Stadt,
will wissen, was Konstanz für Träume hat.

Und über dem schwarzen Zinnentor
wächst es reckenriesig empor,
wächst in das nächtige Glockengebraus,
wächst in die dröhnende Nacht hinaus.
Seltsam. - Ist das der Münsterturm? -

Schultern sind das, erstarkt im Sturm,
ehern, darauf geschraubt,
ruht,
sternumlaubt,
herrlich ein Heldenhaupt
mit dem Ketzerhut. -
Huß. Wie in der Worteschlacht,
hoch, wie einst beim Konzil.
Da weint die Nacht.
Und er nickt nur sacht
und lacht
über Kaiser- und Pfaffenspiel. -

So sah ich den Helden in nächtiger Stadt:
Er will wissen, was Konstanz für Träume hat. - 

Rainer Maria Rilke 1897 


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