Freitag, 21. November 2014

20.11.1906 - Uraufführung - Frühlingserwachen


FRÜHLINGSERWACHEN. Meine erste Rolle überhaupt, die Ilse, 1974 am Berliner Ensemble. ich war fünfzehn, Schülerin und so frei, wie danach lange nicht mehr. Die Regie führten B.K. Tragelehn und Einar Schleef und ich war die älteste der jugendlichen Laiendarsteller.
Dann Frühlingserwachen als Hörspiel, jetzt als Wendla, mit Frank Lienert nächtens in der Nalepastrasse im Unmassen von Tonbändern hockend, die das Heugeräusch erzeugen sollten. 
Und 1996 im ersten Jahr von Wolfgang Engels Intendanz als meine erste Regie für eine große Bühne, wieder Frühlingserwachen.
Ich liebe dieses Stück.

20.11.1906

Unter der Regie von Max Reinhardt findet an den Berliner Kammerspielen die Uraufführung von Frank Wedekinds Drama  Frühlings Erwachen statt.

ERSTE LIEBE


Sechste Szene: Bergmanns Garten im Morgensonnenglanz.

Wendla
Warum hast du dich aus der Stube geschlichen? – Veilchen suchen! – Weil mich Mutter lächeln sieht. – Warum bringst du auch die Lippen nicht mehr zusammen? – Ich weiß nicht. – Ich weiß es ja nicht, ich finde nicht Worte...
Der Weg ist wie ein Pelüscheteppich – kein Steinchen, kein Dorn. – Meine Füße berühren den Boden nicht... Oh, wie ich die Nacht geschlummert habe!
Hier standen sie. – Mir wird ernsthaft wie einer Nonne beim Abendmahl. – Süße Veilchen! – Ruhig, Mütterchen. Ich will mein Bußgewand anziehn. – Ach Gott, wenn jemand käme, dem ich um den Hals fallen und erzählen könnte!

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Ein Hauch schwebt über diesem Werk eines Leichtsinnigen, Torkelnden, Schludernden; ein Hauch, der die Grundmauern des Daseins anweht; Faustulus und Gretelchen; es sind kleine Faustusse der Pubertät, die hier erobern und schuldig werden und dennoch schuldlos untergehen...
Skurile und lyrische Vettern und Basen sind alle der dunklen, dahingegangenen Hedwig Ekdal; Hedwig sollte nur ein Tier schlachten, eine Wildente, um einen Vater zu retten ... Bei Wedekind, der in mattbunten Farben das Dasein zeichnet, wird kein ethisches Opfer gebracht, nur das ungewollte des eigenen Lebens um des grünen, schwärenden, geheimnisvollen Sinnendranges willen.


Alfred Kerr: "Frühlings Erwachen". Der Tag, Berlin, 23.11.1906 

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Wendla

Sieh die taufrische Maid,
Erst eben erblüht;
Durch ihr knappkurzes Kleid
Der Morgenwind zieht.

Wie schreitet sie rüstig,
Jubiliert und frohlockt,
Und ahnt nicht, wer listig
Unterm Taxusbusch hockt.

Der allerfrechste Weidmann
Im ganzen Revier,
Er tut ihr ein Leid an
In frevler Jagdbegier.

In einem langen Kleide
Geht sie nun bald einher,
Sinnt vergangener Zeiten
Und jubelt nicht mehr.
Frank Wedekind

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