Mittwoch, 21. Mai 2014

Schon wieder Shakespeare. Hamlet. Bin ich suchtgefährdet?


Ein Gewinner, der nicht kämpfen muß. Der absahnt. Im Lear gewinnt der zögerliche, feige, greinende Albany die Krone, im Hamlet kommt ein kriegslüsterner norwegischer Haudegen ins Land, genau in dem Moment, wo sich die gesamte dänische Herrschergruppe gerade selbst ausgelöscht hat.
Erster Satz: " Wo ist das Schauspiel?", letzter: "Geht, heißt die Soldaten schießen."
Irgendwo, ganz tief in unseren Mägen oder Seelen oder wo auch immer, das steckt, was wir Gewißheit nennen, haben wir alle diese durch nichts bewiesene Hoffnung auf den Sieg des Besseren über das Schlimme. Und  Shakespeare hatte sie sicher auch, aber die Realität kommt ihm dann dazwischen, und so gewinnt halt das Mittelmäßige oder gar das noch Schlimmere oder jemand, der bisher völlig nebensächlich schien. Es geht einfach weiter.


Zbigniew Herbert

Fortinbras' Klage


Für M.C. 

Allein geblieben prinz können wir jetzt von mann zu mann miteinander reden
wenn du auch auf der treppe liegst und soviel siehst wie die tote ameise
das heißt die schwarze sonne mit den gebrochenen strahlen
niemals konnt ich an deine hände denken ohne zu lächeln
und nun da sie auf dem stein wie abgeschüttelte nester liegen
sind sie genauso schutzlos wie vorher Das ist das Ende
Die hände liegen gesondert Der degen gesondert Gesondert
liegen kopf und beine des ritters in weichen pantoffeln
Du wirst ein soldatenbegräbnis haben wenn du auch kein soldat warst
das ist das einzige ritual auf das ich mich etwas verstehe
es wird keine kerzen geben und keinen gesang sondern lunten und donner
trauertuch über dem pflaster helme beschlagene stiefel
artilleriepferde trommelwirbel wirbel ich weiß schön ist das nicht
das wird mein manöver sein vor der machtübernahme
man muß diese stadt an der gurgel fassen und etwas schütteln
So oder so du mußtest fallen Hamlet du taugtest nicht für das leben
du glaubtest an die kristallbegriffe und nicht an den menschlichen lehm
du lebtest in ständigen krämpfen und jagtest träumend chimären
du schnapptest gierig nach luft und mußtest dich gleich erbrechen
kein menschliches ding gelang dir nicht einmal das atmen
Jetzt hast du ruhe Hamlet du tatest das deine
nun hast du ruhe der rest ist nicht schweigen doch mein
du wähltest den leichteren teil den effektvollen stich
was aber ist schon der heldentod gegen das ewige wachen
mit kaltem apfel im griff auf erhöhtem stuhl
mit blick auf den ameisenhaufen und auf die scheibe der uhr
Leb wohl mein prinz mich erwartet das kanalisationsprojekt
und der erlaß in sachen der dirnen und bettler
ich muß auch ein bessres gefängnissystem erfinden
denn wie du richtig meintest Dänemark ist ein gefängnis
Ich gehe zu meinen geschäften Heut nacht wird der stern
namens Hamlet geboren Wir kommen nie mehr zusammen
was von mir bleibt wird kein gegenstand einer tragödie
Wir sollten uns weder willkommen noch abschied sagen wir leben auf inselmeeren
und dieses wasser die worte was sollen was sollen sie prinz

1 Kommentar:

  1. Ja, das fällt auf. Obwohl wir seit unserer Kindermärchenzeit einen glücklichen Ausgang von Schreckensgeschichten erwarten, nicken wir, wenn bei Shakespeare gar nichts gut ausgeht und gar nichts abgeschlossen wird. Selbst in seinen Komödien bohrt am Ende Bitternis, wenn welche sich endlich kriegen. Nichts wird aufgelöst. Alles bleibt fragil. Der Boden unter einer Erzählung spielt immer mit. Meine Güte, ist der klug.

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