Donnerstag, 29. Mai 2014

Der Tag an dem mein Gehirn gelöscht wurde


Vor einer Woche begann mein Computer, ein launisches Eigenleben zu führen. Er wollte dies und das nicht tun oder wenigstens auf andere Art, als ich es erwartete. Schon eine ganze Weile hatte ich den Eindruck, dass er seine vielfältigen täglichen Aufgaben zunehmend widerwilliger und schleppender verrichtete. Aber nun ging er in den aktiven und passiven Widerstand. Meine internen und auch die lauten Gespräche mit ihm wurden zunehmend dringlicher und zugleich unterwürfiger. " Bitte, bitte, gehorche mir doch!" Unsere übliche klare Meister- Diener Beziehung bekam Risse und ein Abgrund, mein Abgrund voll Hilflosigkeit öffnete sich. APPLE, unser gemeinsamer Guru wurde angerufen. Von mir. Der Computer war wohl ganz zufrieden mit seiner neu gewonnen Freiheit. Verschiedene Berater auf steigenden Sprossen der Apple-Reparaturhierachie redeten mir und ihm gut zu, gaben Ratschläge, griffen, mit meiner Einwilligung, der Computer ließ es über sich ergehen, in das Innenleben der unwilligen Maschine ein. Ihre Anweisungen wurden zunehmend kryptischer, mein Schweißfaktor höher. Viele Stunden vergingen unter Aufsicht und mit Hilfe reizender Menschen aus dem geheimnisvollen Apple-Center am anderen Ende meiner Telephonleitung. Einer war aus Rumänien, wo ich auch Verwandte habe, einer hatte genauso viel oder wenig Ahnung wie ich. Von Anruf zu Anruf wiederholte ich die Litanei der Beschwerden meines Computers, schleppte den unbeteiligten Patienten von Arzt zu Arzt. Alle waren sich sicher, dass Hoffnung bestünde, deuteten Versäumnisse ihrer Vorgänger an und versicherten, dass ihre Behandlung sicher besser anschlagen würde, als die ihrer Kollegen. Nichtsdestotrotz verschlechterte sich der Zustand des Behandelten zusehends. Dann gestern Abend, ein ganz zauberhafter Mann, Ingeneur und Psychologe ging mit mir in den End-Überlebenskampf - Back-Up machen - ALLES löschen - neu laden - - - und nix ging mehr, gar nix. Mr. C., so werde ich ihn von jetzt an nennen, sagte ja, dann ok. in 7 Stunden, in 58 Stunden oder in einer Sekunde und verabschiedete sich schließlich ohne Abschiedsgruß aus meinen Diensten.  Der Herr aus dem Apple-Hilfe-Zentrum hatte Dienstschluß, versprach Hilfe am nächsten Mittag. Ich war allein mit meinem komatösen Silberkasten.
Meine Termine, meine Arbeitsunterlagen, meine Archive, meine Freizeitunterhaltungen, dieser Blog und und und - kurz der Großteil meines Gehirns waren in den Erinnerungen eines Nicht-Mehr-Ansprechbaren gefangen. Desolation! 



Heute morgen zu Gravis, jetzt läuft er wieder, allerdins ohne Trackpad (Maus), unter Verlust einiger wichtiger Fakten und nachdem ich und Helfer, denen ich gar nicht genug danken kann, etwa zwanzig Stunden auf Wiederbelebungsversuche verwendet haben. Ich bin erschöpft. Meine Helfer sind es auch. Wie sich Mr. C fühlt weiß ich nicht. 
Und erzählt mir jetzt bitte nichts über die Entfremdung des Menschen von der realen Welt durch wachsende Abhängigkeit von der digitalen. Ich liebe meine reale Welt und kann gut zwischen beiden unterscheiden. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, und ohne Mr. C. bin ich verflixt weniger effizient, Teile meiner realen Welt leben sehr weit weg und der Kontakt mit ihnen wird durch Mr. C. stark vereinfacht, facebook bedient meine Bedürfnisse nach realem Tratsch und Klatsch, und vor allem kann ich die Arbeit, die ich liebe digital schneller und leichter verrichten, damit ich mehr Zeit für den realen Teil meines Lebens habe.
Mr. C. ich brauche sie und hoffe auf ihre baldige völlige Gesundung!

3 Kommentare:

  1. Liebe Johanna,

    wenn sowas wiederkehrt ... bitte kontaktieren!!! :)
    Ich hab' keine Ahnung davon, wie man einem Apple-Computer wieder Manieren beibringt, aber ich kann Dir unkompliziert beibringen, wie man ein Linux-Live-System auf einem Mac-Book startet. Dann kann Dir Dein eigenwilliger Rechner nüscht mehr, denn Du startest Linux komplett vom USB Stick oder von CD... Dein Betriebssystem wird weder berührt noch verändert. Linux kann allerdings Deine Festplatte lesen, wie einen USB Stick als Massenspeichergerät. Auf diese Weise kann man:
    1. Alle Daten KOMPLETT retten!!!
    2. Auch mit einem spinnerten Betriebssystem weiterarbeiten, weil Linux bereits eine Vielzahl von Programmen mitbringt und die vom Rechner nicht braucht.
    3. Linux ist so schlank und wird komplett in den Arbeitsspeicher geladen... dass damit Dein Rechner so schnell wird, dass Du aus dem Staunen nicht mehr 'rauskommen wirst.

    Internet, Multimedia, Bürokram, Ton und Videoschnitt, Bildbearbeitung... alles auf einem USB-Stick kleinster Sorte... virensicher ... ich pflege ein Live-System (KNOPPIX) immer auf einem USB-Key am Schlüsselbund zu tragen. You never know...

    So macht man Datenrettung und zeigt einem eigenwilligen Betriebssystem die kalte Schulter... bis es wieder auf Trab gebracht wird.

    Herzliche Grüße von der Nerd-Kollegin :)

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  2. In dankbarer liebevoller Zuwendung, Johanna!

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  3. Liebe Johanna, muss mich einfach nochmal äußern.
    Auch ich habe keine Ahnung von Apple Computern. Obwohl Support an der Hotline ja mein Job ist. Aber eben nur bedingt für Microsoft Windows Systeme. Oftmals muss sich das direkt angesehen werden. Meine Kinder und auch meine Schwester sind ja begeisterter Apple User. Mein Schwiegersohn hätte dir bestimmt helfen können. Er ist Programmierer mit Hochschulabschluss und muss seine Programme für alle Betriebssysteme kompatibel programmieren.
    Aus meiner Erfahrung kann ich sagen dass es mehrere Ursachen dafür gibt, dass ein Computer spinnt. Ein Virus, der aber bei Apple nicht vorkommen sollte, ein Software Update was nicht gewirkt hat oder ein Gerätetreiber der das System lahmlegt. Es genügt oft schon einen USB Stick einfach mal abzuziehen und schon meckert das System.
    Eine Datenrettung für Fotos, Dokumenten und Musikdateien ist einfach, schwieriger wird es bei Emails und Kontaktadressen. Wenn man nicht weiß in welchen Ordner die abgelegt sind.
    Und dann das System neu aufspielen…deshalb ist so ein Backup von Vorteil.
    So nun genug klugscheißerisch gelabert, ich wünsche dir einen schönen Donnerstag

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