Montag, 2. Januar 2012

Im Weißen Rössl - Eine Schimpftirade

Wenn man Operetten nicht leiden kann, sollte man sie nicht inszenieren oder muß halt eine so überzeugende und witzige Form der Dekonstruktion erfinden, dass die Abneigung oder Haßliebe wieder Kunst hervorbringt.
Sonst entsteht das, was ich gestern Abend drei Stunden lang in der Komischen Oper betrachten durfte, nämlich langweiliges, ungelenk inszeniertes, überaufwendiges Schmeater. Dass Sebastian Hartmann Deutsche doof findet und das Operettengenre ebenso, ist nicht interessant genug, um so viel versenkte Lebenszeit und so viel Bühnenbild zu rechtfertigen. Ironie ist nicht abendfüllend.
Man, eine Riesenduschkabine, damit 20 Leute vom Chor einmal reinrennen, kurzer schwacher Lacher und dann ungeschickter, nicht unauffälliger Abgang. Die Zimmer-mädchen tragen Toga, hin- und wieder tauchen Barockkostüme auf, warum auch immer, zusammengeschustert und witzig sein gewollt.
Nichts ist wichtig, die Entstehungszeit nicht, die Jetztzeit eigentlich auch nicht, Gott behüte die Geschichte oder theatralische Situationen. Der Einfall regiert!

Gott sei Dank singt und spielt Dagmar Manzel! Falls ihr "Kiss me Kate" am selben Haus noch nicht gesehen habt, unbedingt nachholen! Was für eine Stimme, was für eine tolle Frau, ach was für ein Weib. Im Februar folgen "Die Sieben Todsünden"!
Aber falls sie mal das Bielefelder Telephonbuch vortragen sollte, ich würde auch hingehen und bin sicher, es wäre spannend.

aus "Kiss me Kate"

Max Hopp ist der verliebte Kellner, nur dass er halt nie kellnert, sondern mit viel Einsatz unablässig Humor produzieren muß. Schade, ich sehe den gern. 
Dann gibt es noch eine große Rolle, die gar nicht singen kann und auch nicht tanzen, aber beides tut. Oft.
Gelacht wurde nicht viel, aber geklatscht dann doch. Die Mysterien des Publikums. Obwohl bei der Menge von Ohrwürmern und mit der Qualität eines Teils der Besetzung hätte der Saal eigentlich vor Bravos explodieren müssen. Naja.

Im weißen Rössl am Wolfgangsee (Ralph Benatzky)
Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist? (Robert Gilbert)
Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein (Ralph Benatzky)
Es muss was Wunderbares sein (Ralph Benatzky)
Mein Liebeslied muss ein Walzer sein (Robert Stolz)
Die ganze Welt ist himmelblau (Robert Stolz)

Ursli Pfister hat 1994 eine wunderbare minimalistische Variante des Rössls in der Bar jeder Vernunft inszeniert. Toll. Mit Max Raabe, den Geschwistern Pfister, Meret Becker, otto Sander und, ich glaube, Schmiedinger als Kaiser. Das war hier Irm Hermann, und das war auch sehr schön, sehr zart und fies.

1 Kommentar:

  1. Peter Besen
    Obwohl ich Dir in allen Punkten zustimmen muss, hatte der Abend für mich doch eine seltsame Kraft, was wohl weniger an der Regie lag und wenn doch, ich mir schwer vorstellen kann, dass es Absicht war. Dagmar und Max halten die Fahnen mit soviel Energie hoch, dass die Langeweile gar nicht eskalieren kann.

    Carsten Sonnenberg
    ich habe es auf dvd mal gesehen wen dagmar nicht mit gemacht hätte dann wär sofort schluß gewesen aber dagmar reißt alles raus

    Armin Gröpler
    Das "Rössl" ist eigentlich gar keine Operette im klassischen Sinne. Es ist bereits die Persiflage der Operettenklischees; darum macht es unsäglichen Spass, die Gags wie die Faust aufs Auge zu senden und eben viel "gestriges" und "heutiges" im Sinne offener Coupletts zu veranstalten.

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