Mittwoch, 13. April 2011

Theater hat einen Kritiker 1


Stellen wir uns vor: 8.00 Uhr früh, der Bäcker öffnet seinen Laden, ein Mann in unauffälliger Kleidung tritt herein und kauft ein Brötchen, ein Stück Streuselkuchen und ein halbes Vollkornbrot. Am nächsten Tag in der städtischen Zeitung ein Verriss: "Da ging vieles nicht auf".

Theaterkritik ist ein erstaunliches Ding. Und die, die sie schreiben eine ungewöhnlich heterogene Ansammlung von Menschen. Da gibt es den Doktor der Theaterwissenschaft, der alles weiss und wenn man ihm nur zuhören würde, könnte man es besser machen, den gescheiterten Dramaturgen, der alles besser machen könnte, wenn man ihn nur liesse, den Redakteur fürs Regionale, der abgeordert wurde, weil kein anderer Zeit hat und es schon lang kein eigenes Kulturressort mehr gibt.
Und! Und den Theaterschauer und -schreiber aus Passion, rarer als ein Berliner in Berlin. Er wird geliebt und gefürchtet, denn sein Urteil, auch wenn es vernichtend ist, muss Ernst genommen werden, da es in Leidenschaft geschrieben wurde. Leider verwandelt er sich manchmal mit den Jahren, weil er halt gehört wird und weil er, wie es in der Liebe so ist, oft enttäuscht wird, in eine Institution. Die alte Liebe ist nur noch ein Schatten einer Erinnerung und muss bestraft werden, weil sie ihre Versprechen nicht hat halten können. Die Destruktion, die solch ein enttäuschter Liebhaber anrichten kann, ist phänomenal, besonders, wenn er sich den Liebesverlust selbst nicht eingesteht.

                                           Chas Addams

Katherine Hepburn gab eine beeindruckende Vorstellung, die gesamte Skala der Gefühle umfassend, von A bis B.
Katherine Hepburn delivered a striking performance that ran the gamut of emotions, from A to B.  Dorothy Parker Vogue 1916

2 Kommentare:

  1. Ötti schrieb: Habe gerade auf Nachtkritik die Lulu-Kritik gelesen. Eine Freude! Schon der fast Essay über Stil und Manier zu Beginn. Dann die Beschreibung und Analyse. Klug, anschaulich, voller Respekt für die Arbeit, mit Freude über Gelungenes und Überraschendes. Ich selbst mag Wilson nicht mehr sehen, habe halt genug davon, und staune deshalb, wie der Kritiker, der meine Vorbehalte zu teilen scheint, bewundernswert sachlich und offen und fröhlich geblieben ist.

    AntwortenLöschen
  2. Alexander Höchst14. April 2011 um 18:27

    Da kann man nur gratulieren!!!

    AntwortenLöschen