Mittwoch, 20. April 2011

Hermann Hesse

Kleiner Knabe

Hat man mich gestraft,
Halt ich meinen Mund,
Weine mich in Schlaf,
Wache auf gesund.

Hat man mich gestraft,
Heißt man mich den Kleinen,
Will ich nicht mehr weinen,
Lache mich in Schlaf.

Große Leute sterben,
Onkel, Großpapa,
Aber ich, ich bleibe
Immer, immer da.

Hermann Hesse



Der Mann von fünfzig Jahren

Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.
Auch die Zähne gehen flöten,
und statt daß wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vorm Ende
will ich so ein Kind mir fangen,
Augen hell und Locken kraus,
nehm´s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

Hermann Hesse

1 Kommentar:

  1. Ötti Schrieb:
    Beides sind - so weit ich weiß - Altersgedichte.
    Vielleicht ist das die faszinierende Seite des Alters, dass die Kindergefühle niemals verschwinden, dass die Möglichkeiten, sich in der Welt zu verstehen, sehr vielartig werden.
    ( Faszinierend verstehe ich erst mal wertfrei. Es kann auch eine Last sein, die das lange Leben aus der Kindheit wegschleppen muss. )

    Das frechste Altersgedicht, das ein Seufzen nicht leugnet, hab ich einst an der Uni im Goethe-Seminar gelernt:
    Gerne der Zeiten gedenk ich,
    Da alle Glieder gelenkig.
    Bis auf eins.
    Zeiten, sie kommen nie wieder.
    Steif sind nun alle Glieder.
    Bis auf eins.

    AntwortenLöschen