Sonntag, 13. Februar 2011

Theater geht an die Nerven

Ich war heute Abend in einer Impro-Show, kurz, lustig und riskant. Riskant, weil Improvisation immer auch schief gehen kann. Es gibt dafür das (in diesem Zusammenhang) sehr passende Wort "verrecken".
Oder - es klappt, zündet, flirrt, packt. Aber nix ist sicher.


Jeder Schauspieler kennt und erzählt unzählige Anekdoten, selbsterlebte und nahezu mythologisch gewordene, über Bühnenkatastrophen, vom einfachen "Hänger", bis zu Fehlfunktionen hochkomplizierter Bühnenkonstruktionen.
Die Vorstellung, in der sich das Haarteil der Diva während ihres tragischen Schlußmonologes selbstständig machte und in wildem Flug vom ihrem vom Weinkrampf geschüttelten Haupt flog, vergisst keiner der Beteiligten. Ebenso, die, in der ein Schauspieler nicht erschien und wir alle offenen Mundes und bebenden Herzens miterlebten, wie ein anderer, eine grosse dialogische Auseinandersetzung in einem Geniestreich alleine durchkämpfte, sich selbst die Fragen stellend, die es dann zu beantworten galt.

Grundsätzlicher gilt für jede Premiere - nie ist sicher, wie und ob der Abend gelingt. Und wäre es anders, wäre es schrecklich. Ohne die Möglichkeit der Niederlage, gäbe es auch nicht die Momente des Fliegens, da wo alles stimmt.
Und Lampenfieber ist doch die Lust am möglichen Versagen oder Triumphieren, oder? Und Fieber ist ansteckend, es überträgt sich auf die Zuschauer. Auch sie gehen das Risiko mit ein. Werden sie mitgerissen, vergnügt, beteiligt? Oder werden es, wie so oft Pflichtstunden, Qualzeit.
Und eben dieses Risiko für beide Seiten ist es, was Theater, von den vorproduzierten medialen Kunstformen unterscheidet. Es ist live. Wie Sport. Man kann mitfiebern. Oder mitverrecken. Aber man ist beteiligt. Und möglicherweise liegt auch hier die Ursache für die starken Reaktionen, die ich auf Theater fühle.

Langeweile ist wie gedehntes, unerträgliches Zuschauen beim Hinsiechen von Energie, Lust, Kreativität, Lebenszeit. Es ist kein Risiko eingegangen worden und alle, Macher wie Zuschauer, werden bestraft.

1 Kommentar:

  1. Wenn man auf der Bühne etwas tut, das einem selbst großen Spaß macht, wird man überall Gleichgesinnte finden. Sei denn, man ist zur falschen Zeit oder am falschen Ort da, oder beides. Hingabe, Lust, Freude, Trauer, überhaupt alle aufrichtigen Gefühle verbreiten sich in Windeseile durch die Theaterlüfte.

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