Donnerstag, 24. Februar 2011

Ein Haus ist ein Haus ist ein ...

The Secret Lives of Buildings oder Eine kurze Geschichte des Abendlandes in 12 Bauwerken: Vom Parthenon bis zur Berliner Mauer  
von Edward Hollis

Edward Hollis schreibt Liebesgeschichten. Über Häuser. 
Er beginnt mit dem "Traum des Architekten", 1838 Thomas Cole, ein Mann aus Lancashire, der den größten Teil seines Lebens in Amerika im Hudson Valley verbrachte, malte die dortigen Landschaften und füllte sie mit den Erinnerungen und Träumen von Bauwerken. Corinthische Rotunde, Pyramide, Gotik und römischer Aquädukt auf griechischer Kollonade, nah beieinander, eine trügerische, zuckrige Vision von 3000 Jahren europäischer Architekturgeschichte in der Landschaft der Neuen Welt. der Architekt ruht auf einer monumentalen Säule und träumt. Wovon?



Hollis schreibt Lebensgeschichten. Von Häusern. 

Der Parthenon (Jungfrauengemach), Sinnbild antiker Perfektion, selbst einen älteren Athena-Tempel ersetzend, von Christen zur Marien-Kirche umfunktioniert, die Bildhauerarbeiten entfernt oder gesichtslos geschlagen, nur zwei Frauenköpfe auf den Friesen überlebten, weil sie (uminterpretiert) Maria und ihre Mutter Anna darstellen konnten, der Altarraum umgedreht und fertig ist die Kirche, dann wurde es eine Moschee mit dazugebautem Minarett und dann ein Waffenlager und da wurde es kurz mal zusammengeschossen, die Munition explodierte, PENG! Lord Elgin hat dann, was noch herumlag und auch einiges, dass noch befestigt war, nach London ins Britische Museum geschleppt, übrigens für viel weniger Geld als er erwartet hatte. Was wir also sehen ist Geschichte, Veränderung, Umstürze, Destruktion und Umbau, Gebrauch halt. Das grandiose Bild klassischer Antike, perfekte Symmetrie, weiss schimmernd im ewigen mediterranen Sonnenglanz mag dies alles überlagern, aber das wahre Leben findet einfach trotzdem statt und macht das Haus reicher, auch kaputter in diesem Fall, aber wie bei Menschen ist auch bei einem Gebäude die Biographie ein Teil der Schönheit.


Die Leidenschaftlichkeit mit der Hollis sich in die verschlungenen, teilweise absurden Lebensläufe seiner 12 ausgewählten Bauwerke eingräbt, wie er mit ihnen leidet oder jubiliert, ist mitreißend.
Das letzte Kapitel gehört dem Har Habayit = Tempelberg oder Haram e-Sharif = The Noble Sanctuary oder der Klagemauer oder Westmauer. Schon die heiligen Namen umfangen eine unglaubliche Menge von Erinnerungen und Hoffnungen, die in diese Ansammlung von Steinen investiert wurde und wird. Traumata, Besitzansprüche und Glaubensgewissheiten treffen aufeinander, verschwimmen und formieren sich in hasserfülltes Haben-Wollen.
Diese zwölf Essays oder Kurzromane meandern, gründlich recherchiert und manchmal geradezu poetisch durch unser gemeinsames architektonisches Unterbewusstsein. Und neben der Unzahl von Informationen und Anekdoten, die man serviert bekommt, ist es einfach ein Vergnügen, Hollis in seinen zwölf Verliebtheiten zu folgen. Jede Geliebte anders, und er liebt sie, alt und jung, verramscht und aufgehübscht, kaum noch zu erkennen oder schönheitschirurgisch wiederhergestellt. Mögen die menschlichen Benutzer sie noch so misshandeln, die Würde dieser "Alten" besteht im Überleben.

1 Kommentar:

  1. Olaf Brühl wrote: "Klingt gut, scheint ein Buch von jener Art zu sein, die ich sehr liebe und verschlinge! Danke, da schau ich mal, Johanna! ; )"

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