Samstag, 6. November 2010

Puntila


Die zwei Seelen des Herrn auf Puntila oder Der Regen fällt immer nach unten

Ein Traum. In einer kleinen finnischen Landgemeinde leben alle Menschen glücklich miteinander. Herren und Knechte, Mägde und Damen. Sie leben schon lang so. Und es ist gut so wie es ist.
Die Natur ist immer um sie, aber auch in ihnen. Sie ist ein Teil von ihnen, wie ihre Arme, Beine und die Brüste der Mädchen. Es wird viel und genüßlich gevögelt. Im Wald, im Stall, in der Sauna und auf den Wiesen. Das kostet nix. Außer, wenn Kinder kommen, aber darüber denken sie später nach. Natürlich vögeln die feinen Damen nicht soviel, sie hätten ja was zu verlieren. Die Natur macht aber leider auch viel Arbeit. Manchen von ihnen mehr als anderen. Der Herr Puntila zum Beispiel hat neunzig Kühe. Das Kuhmädchen melkt zweimal täglich Kühe. Sie hat ein Fahrrad.
Sie erzählen alle gern Geschichten. Die, die arbeiten müssen, erzählen abends am Fluss und die anderen einfach den ganzen Tag lang. Sie erzählen besonders gern sehr lange Geschichten, mit Pointen, wie langsam brennende Lunten. Die zünden etwas später.
Sie sind, wie man so schön sagt ein kindliches Völkchen, treuherzig, arglos. Naiv. Wenn man ihnen böse wollte, könnte man sie auch einfältig nennen.
Der König dieser wundersamen Gegend ist der Herr auf Puntila, Johannes. Mit seinem Namenspatron, dem Täufer, teilt er die Vorliebe für Flüssigkeiten. Bei dem einen ist es das Wasser des Jordan, beim andern das Wasser des Lebens, aqua vitae, Aquavit. Er könnte ein wunderbarer harter, grausamer König sein. Aber seine Vorliebe ist auch seine Schwäche, betrunken wird er beinahe gut, fast ein Mensch. Ganz schlecht für einen König, der erfolgreich seien will. Übrigens, auch er liebt die Natur, besonders, wenn sie ihm gehört. Er selbst nennt seine Nüchternheit, seine Krankheit. Sie „überkommt“ ihn anfallsartig und muss mit Aquavit bekämpft werden. Erstaunlicherweise richtet der betrunkene, also gute Puntila weit mehr Unheil an, als der nüchterne, böse. Die, die er sonst, wie es sich in dieser Welt gehört, für seinen Gewinn ausbeutet, benutzt er betrunken für seine Sucht nach Vergnügen. Es bleibt die gleiche gute alte Ausbeutung. („Wenn er nüchtern ist prüft er die Arbeitskraft seiner Knechte, wenn besoffen, prüft er ihre Eignung sein Vergnügen zu teilen.“) Wenn auch gefährdet, verliert Puntila seinen Vorteil doch nie ganz aus den getrübten Augen. Gottseidank ist das so, sonst wäre er nämlich sehr schnell ein verarmter König. Aber manchmal - ist nicht nur betrunken, sondern trunken. Dann ist er zum Verlieben herrlich, und also besonders gefährlich.
Und der König hat auch eine Tochter, die trinkt auch ganz gern und hat auch eine Schwäche, sie langweilt sich schnell.
Alle Bewohner sind, mit dieser Welt wie sie ist, einverstanden. Selbst der rote Surkalla scheint nur ein kinderreicher, sozialdemokratischer lieber und gewohnter Störenfried zu sein.
Dann erscheint ein Mann.
Ein Mann der Technik, des Automobils, der Traktoren, der neuen Zeit. Er kommt viel herum. Immer wieder wird er verjagt, oder modern formuliert gekündigt. Er ist eigentlich ein Opportunist, er würde halt gern mal eine Stellung behalten. Aber wie der Herr von Puntila, ist auch er ein kranker Mann, auch er hat Anfälle. Anfalle von plötzlicher völliger Ehrlichkeit. Er kämpft dagegen an. Er spricht in Gleichnissen. Er versucht es mit Ironie, dass ist modern, aber hilft nicht immer. Die Wahrheitsliebe überwältigt ihn immer wieder. Ein Jesus wider willen.
Der König und der Mann treffen aufeinander, notwendigerweise. Es gäbe den Herren nicht ohne den Knecht und wohl auch umgekehrt.
Ein Zweikampf von homerischem Ausmaß entbrennt. Hier geht es ums Ganze. Der betrunkene Puntila eröffnet den Kampf mit Charme und Freundschaftsangeboten. Matti hält mit standhafter Ironie und vorsichtigem Ausweichen dagegen. Die Angriffe werden massiver, die Existenz anderer Menschen wird aufs Spiel gesetzt. Anfälle von Nüchternheit und Ehrlichkeit auf beiden Seiten der Front. Dazwischen immer wieder die vier Friedensengel mit Brust und Hintern. Liebesfähig, aber gar nicht niedlich, in Harmonie mit sich. Die Tochter wird als ultimate Vernichtungswaffe, als Sexbombe sozusagen ins Spiel gebracht und gerade noch entschärft oder besser sie zieht sich aus den Kampfhandlungen verwundet, aber überlebend zurück. Das ganze Land, die Natur selbst werden in den Endkampf geworfen. Matti muß sich schlußendlich geschlagen geben und in die Arbeitslosigkeit verschwinden.  Der König bleibt einsam und geht nach einem Autounfall, bei dem er in einen flachen See fährt, nur mit dem Kopf aus dem Wasser schauend einschläft und am nächsten Morgen vom ganzen Dorf mit Gelächter geweckt wird, zu den Anonymen Alkoholikern. Die Tochter heiratet den Attaché und gerät dann nach ihrer Mutter, die Schmuggleremma wird ebenfalls fett, das Apothekerfräulein verwechselt einmal mehr die Rezepte und wird wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Kerker verurteilt. Das Kuhmädchen hat einen schweren Fahrradunfall und die Telefonistin wird zur alten Jungfer und katholisch. Vom Delerium Tremens des Richters wollen wir gar nicht reden.
Aber - vielleicht wird der Regen, ja doch irgenwanneinmal von unten nach oben fallen. Ein Traum.

 


1940

 

Der Wolf ist zum Huhn gekommen

Hat gesagt: wir müssen uns kennenlernen
Kennenlernen, schätzen lernen.
Das Huhn hat´s gut aufgenommen
Das Huhn ist mit dem Wolf gekommen:
Das ist, weil das Federn im Feld sind.
Oh, oh.

Das Licht ist zum Öl gekommen
Hat gesagt wir müssen uns kennnlernen
Kennenlernen, schätzen lernen.
Das Öl hat´s gut aufgenommen
Das Licht ist mit dem Öl gekommen:
Das ist, weil der Himmel so rot ist.
Oh, oh.

Der Herr ist zur Magd gekommen
Hat gesagt: wir müssen uns kennenlernen
Kennenlernen, schätzen lernen.
Die Magd hat´s gut aufgenommen
Die Magd ist mit dem Herrn gekommen:
Das ist`s, weil das Mieder so eng ist.
Oh, oh.

1940



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen